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Monats-Krampe

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Krampe des Monats
Immer wieder gibt es Individuen, die sich abseits der allgemein üblichen Normen bewegen. Besonders auffällige wollen wir hier vorstellen. Ob uns das jeden Monat gelingt wissen wir nicht.
Aber nichts desto trotz... seid belustigt...






April 2008 - Der schwarze Skorpion



Es gibt auch heute noch Kulturen, in denen Metal Musiker als "entartet" betrachtet werden weil sie "teuflischen Einflüssen zum Opfer gefallen sind". Und es sind immer wieder religiöse oder moralische Erbsenzähler, die den Metal - wohl aus einem grundlegendem Miss- oder Unverständnis - mit dem ultimativen Bösen in Verbindung bringen.


Das alle Metalheads Teufelsanbeter und abrundtief bösartige Kreaturen sind ist natürlich totaler Quatsch. Aber wenn man in einem Land lebt, in dem manchmal der geringste "Blick über den Tellerand" der Gesellsschaft argwöhnisch beäugt wird, bleiben einem jedoch nur zwei Möglichkeiten übrig: Seine Leidenschaft aufgeben oder die Konsequenzen tragen!

Für Zweiteres haben sich fünf junge Musiker aus dem Irak entschieden. Im Jahre 2000 gründeten Tony, Firas, Faisal, Marwan und Waleed die erste und bisher einzige Heavy Metal Band des Landes. Seit diesem Zeitpunkt verschlechterte sich die ohnehin schwierige Lebenssituation für sie immer mehr. Ihr Kommentar auf YouTube "Die Leute sagen, es wäre total töricht sowas zu machen - aber Heavy Metall rules!

Im Sommer 2001 traten sie das erste mal auf. (Für alle politisch Unbewanderten sei an dieser Stelle erwähnt, dass dies noch zu einer Zeit statt fand als Saddam Hussein an der Macht war.) Zu dieser Zeit mussten alle Konzerte vom Kulturministerium genehmigt werden. Dies war jedesmal an die Bedingung geknüpft, eine Lobeshymne auf den Diktator anzustimmen.

Der fünfte Auftritt am 5. Januar 2004, war dann auch zugleich das letzte Konzert mit Waleed Moudhafar am Mikro bevor er aus dem Irak nach Kanada floh. Notgedrungen teilten sich Faisal Talal und Marwan Riyak danach den Gesangspart beim nächsten Auftritt am 17. August 2004 im Iraqi Hunting Club. Dieses Konzert fand sogar vor ganzen 200 Besuchern statt. Doch der Veranstalter brach das Event vorzeitig ab....


Im Juli 2005 fand das letzte Konzert in ihrer Heimatstadt Bagdad statt. Denn Morddrohungen von islamischen Fundamentalisten machten weitere Auftritte lebensgefährlich.

Am 28. Juli 2006 zerstörte dann auch noch eine Explosion den gesamten Proberaum und alle Instrumente.

Einen Monat später mussten Tony und Mawan nach Syrien fliehen. Firas und Faisal folgten kurze Zeit später.

Ein kleiner Lichtblick war ein Konzert in Damaskus im Dezember 2006, die Aufnahme eines Demotapes mit drei Songs und noch einem kleinen Auftritt.

Ein halbes Jahr später schlug das Schicksal aber wieder mit voller Härte zu: Die Jungs mussten ihre Instrumente verkaufen um die Miete zahlen zu können...


Von 2003 bis 2007 wurden sie filmtechnisch vom "Vice Magazine" begleitet, woraus ein Dokumentarfilm entstand, der Mitte Septemer 2007 beim "Toronto International Film Festival" Premiere feierte. Die Bandmitglieder bekamen allerdings keine Einreiseerlaubnis und zudem drohte Ihnen am 10. Oktober 2007 die Abschiebung aus Syrien, da die Aufenthaltserlaubnis für die irakischen Flüchtlinge auslief und nicht verlängert werden sollte. Nur eine Spendensammlung des "Vice Magazine" verhinderte Schlimmeres und ermöglichte ihnen Anfang Oktober 2007 die Ausreise in die Türkei. Mittlerweile sind sie schon dreimal in Istanbul aufgetreten. Zur Aufführung "ihres" Films bei der Berlinale im Februar 2008 durften sie dennoch nicht nach Deutschland einreisen.

Trotzdem geben die Jungs nicht auf! - Und das ist bewundernswert!!!!!!


ACRASSICAUDA haben sie ihre Band genannt. - Nach einem schwarzen Skorpion (Androctonus crassicauda), der in den Wüsten ihrer Heimat lebt und einer der giftigsten seiner Art ist.

Sie spielen sich die Wut aus dem Leibe und schreien es international verständlich aber auch in ihrer Muttersprache heraus. "It is about death and suffering and that is what Iraqis have now. The rage of the street comes out through our music." ("Es geht um Tod und Leiden, und das ist, was wir Iraker zur Zeit haben. Der Zorn der Straße kommt in unserer Musik zum Vorschein.") sagte Waleed Moughafar im Toronto Star.

Und Faisal fügte in paar Monate später im "The Wall Street Journal" vom 17. August hinzu: "There's a lot to be angry about these days, and we want to give people a way to get that out." ("Es gibt eine Menge, worüber man im Moment wütend sein könnte, und wir wollen den Leuten eine Möglichkeit bieten, das rauszulassen")

Trotzdem verfallen die zur Zeit 25-29 Jahre alten und im Exil lebenden Vollblut-Metaller nicht in blinden Hass. Daran ändert auch ihre schwierige aktuelle Lebenssituation nichts. Und Waleed sprach im "Toronto Star" für alle als er sagte: "Only a certain part of the Iraqi body is bad. The rest is good — just like the scorpion." ("Nur ein bestimmter Teil der Iraker ist schlecht. Der Rest ist gut - genau wie beim Skorpion.")



Diese Krampe stimmt und endet letztendlich nachdenklich!

Eigentlich sollte man sauer ohne Ende sein, wenn einem das Schicksal immer wieder solche Steine in den Weg legt. Und weil dabei menschliche Willkür einen großen Anteil daran hat. Aber als ich die Geschichte dieser tapferen Jungs gehört habe war ich sehr betroffen - und ich wurde still....

Sie mussten ihre Heimat und ihre Familien zurück lassen. Sie hatten und haben es sicherlich nicht leicht! Und trotzdem wählen sie nicht den Weg des geringsten Widerstandes. Sie gehen IHREN Weg! - DAS SIND WAHRE HELDEN!!!!

Und ich möchte den Verantwortlichen, die (Mit-) Schuld an der ganzen Situation haben nur eine einzige Frage stellen...

- WARUM???


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Acrassicauda - Offizielle Homepage (veraltet):

Acrassicauda - Myspace

Acrassicauda - Wikipedia

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Quellen:

Bildmaterial:

Fotostrecke des Spiegels

Fotos der offiziellen Homepage

Bild zum Bericht Berlinale

Acrassicauda - YouTube



Quellen zum Bericht/Weitere Informationen über ACRASSICAUDA gibts hier:

Berlinale - Filminfo

Berlinale - Panorama

Spiegel Online

Arte


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Kommentare

by Iceman am 25.05.2005 - 14:04
Tja, es gibt wohl leider immernoch Leute die im Mittelalter leben! Schade! Aber solche Bands wie ACRASSICAUDA beweisen es immer wieder was es heisst für den "METAL" zu "LEBEN" und das in einem Land in dem solche Denkweisen wie "Zwangsverheiraten" leider immernoch an der Tagesordnung sind... :respekt:

by Evoli am 01.05.2008 - 20:57
Dieser Artikel ist leider ein treffendes Beispiel dafür, dass sich Intoleranz durch alle unsere Lebensräume zieht,in zunehmender und auch gewalttätiger Form. Ein sehr erschreckender Blick in die Zukunft...hab noch ein Zitat zum Thema "Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der andere könne am Ende vielleicht recht haben." Robert Frost



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